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Die mündliche Prüfung

Joanna Marciniak
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Joanna Marciniak
Die mündlichen Prüfungen stellen die letzte Hürde der Approbationsprüfung dar. Diese setzen sich aus einer Einzel- und einer Gruppenprüfung zusammen. Man erhält für jede Prüfung eine Note. ⅔ Deiner Gesamtnote machen also die Noten Deiner mündlichen Prüfungen aus und zu ⅓ geht die Note Deiner schriftlichen Prüfung ein. Die mündliche Prüfung hat notentechnisch also mehr Gewicht. Zusätzlich wird der Druck möglicherweise durch die Angst vor der Bewertung durch die Prüfer:innen und die weniger fest definierten Lerninhalte und -quellen erhöht. In diesem Artikel erfährst Du, wie die Prüfungen ablaufen, wie Du Dich darauf vorbereiten kannst und welche Themen gerne abgefragt werden. Außerdem haben wir unter Materialien eine Checkliste zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung hinterlegt.
Interview mit einem Prüfer
Wir haben mit dem Prüfer Dr. phil. Roy Murphy über die mündliche Approbationsprüfung gesprochen. Im Interview erfährst Du unter anderem, worauf bei der Prüfung besonders Wert gelegt wird, was passieren muss damit man durchfällt und worauf es ankommt, wenn man mit einer Eins abschließen möchte.

Ablauf der mündlichen Prüfung

Fangen wir mit dem Ablauf der mündlichen Prüfung an. Bitte beachte, dass sich meine Erfahrungen auf mein Ausbildungsinstitut in Schleswig-Holstein beziehen. Die Abläufe in anderen Instituten können abweichen. Dieser Erfahrungsbericht kann Dir aber eine erste Orientierung geben. Informiere Dich aber unbedingt auch bei Deinem Institut und halte Dich in erster Linie an diese Vorgaben!

Vor der Prüfung

Bei der Prüfungsanmeldung, (also einige Monate vor der schriftlichen Prüfung) konnte ich angeben, mit wem ich gerne in der mündlichen Gruppenprüfung geprüft werden möchte und mit wem nicht. Wenn man kann, sollte man diese Chance nutzen und seine Präferenz nennen, denn die Gruppenzusammensetzung kann einen erheblichen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden und dementsprechend auch den eigenen Auftritt in der Gruppenprüfung haben. Nach meiner schriftlichen Prüfung habe ich dann von meinem Institut erfahren, mit wem ich in der Gruppenprüfung geprüft werde. Zur gleichen Zeit habe ich auch die Namen der Prüfer:innen mitgeteilt bekommen. Die Prüfungskommission setzt sich aus vier Prüfer:innen zusammen. Eine/r von den vier Prüfer:innen übernimmt den Vorsitz der Prüfungskommission und leitet die Prüfung formal. Mindestens eine/r ist Arzt bzw. Ärztin. Die Prüfer:innen erhalten beide Prüfungsfälle einige Wochen vor der mündlichen Prüfung. Ich hatte das Gefühl, dass ein Prüfer sich intensiver mit meinem Fall auseinandergesetzt hat. Dieser Prüfer hat auch die meisten Fragen zu meinem Fall gestellt. Der Ablauf am Tag der Prüfung war bei mir Gruppenweise. Das heißt, je Gruppe fand zuerst die Einzelprüfung und im Anschluss die Gruppenprüfung statt. Danach kam die nächste Gruppe an die Reihe. Wenn Du nicht als letzte/r Deiner Gruppe in die Einzelprüfung gehst, entsteht also zwischen beiden Prüfungen etwas Wartezeit.

Einzelprüfung

Los ging es mit der Einzelprüfung. Diese dauerte 30 Minuten. Im Prüfungsraum saßen die Prüfer:innen nebeneinander und ich Ihnen zugewandt. Alle waren etwas schicker angezogen. Man sollte sich aber nicht verkleiden. Jeans und ein schickes Oberteil reichen völlig aus. In den ersten drei bis fünf Minuten habe ich meinen Prüfungsfall vorgestellt. Im Anschluss stellten die Prüfer:innen dazu Fragen.

Nach meiner Einzelprüfung war ich etwas geknickt, da ich den Gedanken hatte:

Diese Einschätzung war nicht nur falsch, sondern hat meine Unsicherheit in Bezug auf die folgende Gruppenprüfung noch etwas erhöht. Die Wartezeit zwischen beiden Prüfung habe ich für etwas Bewegung genutzt (in meinem Fall eine Partie Tischtennis). Das hat mich wieder in einen positiveren Modus versetzt und meine Anspannung reduziert.

Gruppenprüfung

Danach war die Gruppenprüfung dran. Diese dauert circa 1 ½ bis 2 Stunden, je nach Gruppengröße. Auch hier wurde mit 30 Minuten pro Prüfling gerechnet. Der Reihe nach hat jede/r ihren/seinen Prüfungsfall in 3 bis 5 Minuten vorgestellt. Anschließend wurden Fragen zum Fall gestellt. Diese Fragen waren i. d. R. deutlich genereller als in der Einzelprüfung. So konnte die Frage auch von anderen Prüfungsteilnehmer:innen beantwortet werden. Nachdem die Fälle abgearbeitet waren, wurden ganz allgemeine Fragen gestellt. Zum Beispiel:
  • Wie könnte eine mögliche 4. Welle der Verhaltenstherapie aussehen?
  • Wie ist mit akuter Suizidalität umzugehen?

Bei Fragen an die Gruppe, hat die Person diese beantwortet, die zuerst gesprochen hat. Im Anschluss konnten die anderen Teilnehmer:innen ergänzen. Gegen Ende der Prüfung hat der Vorsitzende des Prüfungskomitees den Prüflingen den Vortritt gelassen hat, die noch nicht ganz so viel gesagt hatten, sodass alle eine faire Chance hatten. Im Abschnitt “Tipps” dieses Videos gehe ich nochmal etwas genauer auf diesen Punkt ein. Bei mir hat es nach meiner Gruppenprüfung nur circa 10 Minuten bis zur Notenvergabe gedauert. Und danach war es auch schon geschafft! Ich fand es unheimlich erleichternd, alles hinter mir zu haben.

Nach der mündlichen Prüfung zur/zum psychologischen Psychotherapeut:in 🎉
Nach der mündlichen Prüfung zur/zum psychologischen Psychotherapeut:in 🎉

Vorbereitung auf die mündliche Prüfung

Da es keinen Gegenstands- bzw. Anforderungskatalog für die mündliche Prüfung gibt und die Luft nach der schriftlichen Prüfung ziemlich raus war, fiel es mir schwer mich nochmal zum Lernen zu motivieren. Ich habe mich circa sechs Wochen in einem deutlich langsameren Tempo als bei der schriftlichen Prüfung vorbereitet.

So bin ich vorgegangen

  • Zuerst habe ich beide Prüfungsfälle nochmal Absatz für Absatz durchgearbeitet und alle erwähnten Theorien und Interventionen nachgelesen und mir diese auf Karteikarten notiert. Das hat mir Sicherheit bezüglich Fragen zum theoretischen Hintergrund gegeben. Denn gerne fragen die Prüfer sowas wie:
    • Wie haben Sie der Patientin das kognitiv-behavioralen Erklärungsmodell der Zwangsstörung nach Salkovskis erklärt?
    • Wie haben Sie die Selbstregulation ganz konkret gefördert?
  • Dann habe ich mir zusätzlich noch Fragen zu meinen Fällen überlegt und diese inklusive der Antworten ebenfalls auf Karteikarten aufgeschrieben.
  • Als Nächstes habe ich mir die Kurzfassung der S3-Leitlinien für die Diagnosen meiner Prüfungsfälle durchgelesen und überprüft, ob es bei der Behandlung Abweichungen gab. Falls ja, dann habe ich mir die Abweichungen, deren Begründung und den Umgang damit notiert.
    • Zum Beispiel gab es bei meinem Prüfungsfall Abweichungen bei der Medikation. Tatsächlich wurde ich dann in der Prüfung gefragt, ob mir etwas an der Medikation auffällt. Ich glaube, ich habe mir einen ziemlichen Pluspunkt verdient, weil ich diese Frage gut beantworten konnte.
  • Oft habe ich gehört, dass Prüfer:innen gerne Fragen zu ihren Spezialgebieten stellen. Daher habe ich meine Prüfer:innen und deren Spezialisierungen recherchiert.
    • Ich habe nach Seminarunterlagen, Papern und Büchern meiner Prüfer gesucht und alles gelesen, was ich gefunden habe. Wenn ich keine Veröffentlichungen finden konnte, habe ich mich zu deren Spezialgebieten informiert (z. B. Rehabilitation).
    • Dabei habe ich mir immer die Frage gestellt, wie eine Frage zu meinem Prüfungsfall aussehen könnte.
      • So habe ich z. B. bei meinem Prüfungsfall das ADHS als Differentialdiagnose genannt. Zwei meiner Prüfer waren ADHS-Spezialisten. Daher habe ich mir deren Paper genau durchgelesen, was mir in der Prüfung tatsächlich geholfen hat.
  • Um mich auf den allgemeineren Teil der Gruppenprüfung vorzubereiten, habe ich diese Kapitel erneut im Repetitorium durchgearbeitet:
    • Rahmenbedingungen insbesondere das Unterkapitel Recht
    • Pharmakologische Grundlagen
    • ICD-10
    • Verhaltenstherapie
    • Weiteren Verfahren, insbesondere das Unterkapitel Krisenintervention
  • Dann habe ich mir die Prüfungsfälle meiner Mitprüflinge aus der Gruppenprüfung durchgelesen (diese hatten wir vorher per E-Mail ausgetauscht und telefonisch besprochen).
    • Ich habe mir zu diesen ebenfalls Fragen überlegt (jedoch nicht so genau wie bei meinen Fällen) und geschaut, ob ich Unstimmigkeiten bzw. Diskussionspunkte sehe. Zum Beispiel:
      • Ist die Behandlung Leitlinienkonform verlaufen?
      • Welche Differentialdiagnosen kommen mir in den Sinn?
      • Was könnte zu diesen gefragt werden?
  • Als Nächstes habe ich Fragen aus vorhergegangenen mündlichen Prüfungen recherchiert und schriftlich auf Karteikarten beantwortet. Dazu habe ich mich mit Kolleg:innen ausgetauscht, die die Prüfung bereits hinter sich gebracht hatten und Erfahrungsberichte aus unserem Institut gelesen. Eine Zusammenfassung möglicher Prüfungsfragen findest Du im nächsten Abschnitt (Inhalte der mündlichen Prüfung).
  • Dann habe ich Einleitungstexte für meine beiden Prüfungsfälle formuliert und mehrfach laut geübt. Dabei habe ich versucht, ein gutes Bild der/des Patientin/en zu vermitteln, statt den gesamten Therapieverlauf zu schildern. Die folgenden Punkte liefern ein grobes Schema:
    • Soziodemografische Daten
    • Therapieform (KZT/LZT)
    • Geschilderte Symptomatik und psychopathologische Besonderheiten
    • Diagnosen und Differntialdiagnosen
    • Verwendetes Therapiemanual
  • Zu guter Letzt habe ich die Prüfung jeweils mit einer Supervisorin und einer Freundin simuliert und die von mir nicht gewussten Fragen recherchiert.

Inhalte der mündlichen Prüfungen

In der Einzelprüfung wird viel am Fall herumgefragt. Themen sind z. B.:
  • Diagnostik und Differentialdiagnosen
    • Könnten die Symptome auch einer anderen Störung zugeordnet werden?
    • Warum haben Sie die Diagnose xy ausgeschlossen?
    • Welche Diagnostikverfahren haben Sie verwendet?
  • Störungsmodell
    • Wie haben Sie der/dem Patientin/en die Theorie zur Entstehung von xy vermittelt?
    • Wie ist der prädisponierende Faktor xy biografisch erklärbar?
    • Was hält die Symptome aufrecht?
  • Therapieverlauf
    • Läuft die Behandlung einer Zwangsstörung zu Coronazeiten anders ab?
  • Alternativbehandlungen
    • Welche Empfehlungen werden in den S3 Leitlinien gegeben?
    • Wie haben Sie die Patientin dazu aufgeklärt?
  • Medikation
    • Welche Empfehlungen werden in den S3-Leitlinien für die medikamentöse Behandlung der Diagnose xy gegeben?
    • Wie sind Sie mit den Abweichungen umgegangen?
In der Gruppenprüfung wurden nach der Vorstellung der Prüfungsfälle eher allgemeinere Fragen gestellt. Ich hatte mir bei meiner Vorbereitung eine Fragensammlung aus Fragen vorheriger Gruppenprüfung zusammengestellt. Diese habe ich aus Erfahrungsberichten von bereits approbierten Kollegen gesammelt:
  • Wer ist Kostenträger von Behandlungen, Psychotherapie/Reha? z. B. nach einem Berufsunfall
  • Schweigepflicht z. B. wann darf man wem welche Informationen mitteilen?
  • Welche kognitiven Modelle gibt es (Beck, Ellis, Meichenbaum, …)?
  • Unterschiede zwischen Grundüberzeugungen, bedingte Grundannahmen, Grundannahmen, Oberplänen
  • Was ist ein sokratischer Dialog und wie geht man vor?
  • Was sind Verfahren der 3. Welle?
  • Wie könnte eine mögliche 4. Welle in der VT aussehen?
  • Was sind Beziehungsmotive? Welche gibt es?
  • Was ist komplementäre Beziehungsgestaltung?
  • Beziehungsgestaltung bei den verschiedenen Persönlichkeitsstörungen
  • Was sind die Grundkriterien einer Persönlichkeitsstörung?
  • Risikofaktoren & konkreter Umgang mit Suizidalität & präsuizidales Syndrom
  • Videotherapie z. B. Chancen/Grenzen, Regelungen
  • Welchen Einfluss hat Corona auf die PT? Welche Fertigkeiten helfen Patienten in der Pandemie?
  • Welche möglichen organischen Ursachen gibt es für die Symptome der Patientin (z. B. Schilddrüse)?
  • Leitlinien zur medikamentösen Behandlung der jeweiligen Diagnose, Absprachen & Zusammenarbeit mit Psychiater:innen
  • Qualitätssicherung im Rahmen einer Psychotherapie

Tipps für die mündliche Prüfung:

Zeige, was Du weißt!

Bemühe Dich insbesondere in der Gruppenprüfung um Deine eigene Sichtbarkeit. Wenn Du die Antwort auf eine an alle gerichtete Frage weißt, dann mache Dich bemerkbar z. B. indem Du anfängst zu reden. Bleibe dabei natürlich fair und lasse auch die anderen, die vielleicht zur selben Zeit angefangen haben zu sprechen, die Frage beantworten. Meistens klärt man das mit Blicken, ansonsten helfen auch die Prüfer. Auch falls dann jemand anderes die Frage beantwortet, wissen die Prüfer, dass Du die Antwort auch gewusst hättest.

Beharre nicht auf Deiner Meinung!

Erläutere freundlich Deine Meinung, bestehe aber nicht aufs letzte Wort. Offenheit für andere Meinung und die Fähigkeit, eigene Fehler zu erkennen, werden positiv gewertet. Das starre Beharren auf der eignen Meinung zeugt nicht von Reflexionsfähigkeit.

Erlaube Dir, taktisch zu sein!

Manchmal bekommt man beim Sprechen ein Gefühl für das, was Prüfer:innen hören möchten. In der Prüfungssituation kann es manchmal taktisch sinnvoll sein, sich der Meinung des Prüfers anzunähern, auch wenn man vielleicht nicht zu 100 % einverstanden ist. Z. B. wurde ich gefragt, ob die Zwangsbehandlung während der Coronazeit anders verläuft. Ich habe an die ganzen Hygienevorschriften in meiner Klinik gedacht wie z. B. Sicherheitsabstand, Maske tragen, regelmäßig Hände waschen und habe automatisch ja gesagt. Ich habe bemerkt, dass die Prüferin kritisch geschaut hat und habe dann angefangen laut zu denken sowas wie “wobei vielleicht ändert sich doch nicht so viel, da es ja darum geht wieder normale Hygieneabläufe anzuwenden und dann die Restanspannung auszuhalten”, als ich gesehen habe, dass sie fleißig genickt hat, bin ich auf diesem Pfad geblieben.

Bewahre die Ruhe!

Klar, das sagt sich so leicht. Aber im Ernst, falls Du mal etwas nicht weißt, ist das nicht schlimm. Ich habe bei einer Frage gesagt “ich stehe auf dem Schlauch”. Der Prüfer hat die Frage nochmal anders gestellt und mich so langsam zur Lösung geführt. Auch wenn man etwas gar nicht beantworten kann, ist das nur eine von vielen Fragen. Lass Dich davon nicht verunsichern. Es geht nicht darum alles perfekt zu wissen oder zu zeigen, dass der Therapieverlauf perfekt war. Sondern darum, dass man sein Handeln erläutern, Alternativen offen diskutieren und ggf. auch annehmen kann. Wie zuvor erwähnt, war ich überzeugt davon, maximal mit befriedigend in der Einzelprüfung abgeschnitten zu haben. Daher war ich bei der Notenvergabe über meine sehr gute Note total überrascht. Ähnliches habe ich schon von vielen anderen gehört. Also atme durch und lasse Dich nicht verunsichern 😊

Zusammenfassung

In dieser Einheit hast Du erfahren, wie die mündlichen Prüfungen ablaufen, wie man sich darauf vorbereiten kann, was gerne abgefragt wird und was man in den Prüfungen beachten sollte. Falls Deine mündlichen Prüfungen noch bevorstehen, drücken wir Dir fest die Daumen!

Zu guter Letzt eine kleine Bitte. Du würdest allen Dir nachfolgenden PiA einen großen Dienst erweisen, indem Du nach Deinen mündlichen Prüfungen die folgenden Punkte in einem kurzen Kommentar unter dem Artikel auf unserer Webseite zusammenfasst:
  • In welchem Bundesland hast Du Deine Prüfung gemacht?
  • Dein Vorgehen beim Lernen in drei Sätzen?
  • Welche Inhalte wurden abgefragt?

Danke ❤️

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