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Die Prüfungsfälle

Joanna Marciniak
Name
Joanna Marciniak

Wie wähle ich meine Prüfungsfälle aus?

Aus Deinen Falldokumentationen wählst Du zwei Therapiebeschreibungen/-reflexionen aus, die Deine Prüfungsfälle werden. Ein Fall wird in Deiner mündlichen Einzelprüfungen geprüft, der andere Fall in Deiner mündlichen Gruppenprüfung.

Die Fälle müssen nicht perfekt sein, um sich als Prüfungsfälle zu eigenen. Es ist jedoch wichtig, dass Du ein gutes Krankheitsverständnis Deiner Patienten hast. Außerdem ist es sehr hilfreich, wenn Du eine gute Diagnostik gemacht hast. Wie z. B.:

  • das SKID-I/DIPS Interview
  • den SKID-II Fragebogen bzw. sogar das SKID-II Interview
Wir haben Dir das Mini-Dips in den Materialien verlinkt.

Hast Du die verhaltenstherapeutische Ausbildung gemacht, ist es zudem gut, wenn Du Dich bei Deinen Prüfungsfällen grob an ein Therapiemanual gehalten hast. Somit ist Dein Vorgehen theoretisch fundiert, das hilft Dir dieses in der mündlichen Prüfung zu erläutern und gibt Dir Sicherheit.

Was benötige ich zum Schreiben des Prüfungsfalls?

Wie erwähnt, werden zwei Deiner Therapiebeschreibungen/-reflexionen aus Deinen Falldokumentationen, Deine Prüfungsfälle. Im Kapitel 1 zur Falldokumentation habe ich empfohlen, dass Du die Therapiebeschreibungen zunächst so unperfekt wie möglich schreiben solltest. Jetzt wird es Zeit Deine beiden ausgewählten Prüfungsfälle zu perfektionieren.

Aber woraus setzt sich die schriftliche Ausformulierung eines Prüfungsfalls eigentlich zusammen? Im Leitfaden meines Instituts ist diese wie folgt beschrieben:

Grundlage bildet die Gliederung eines PTV3-Antrages für Langzeittherapie und die Darstellung des Therapieverlaufes
Also setzt sich ein Prüfungsfall in der Regel aus dem Antrag an den Gutachter (PTV3-Antrag) sowie einer Therapiebeschreibung/-reflexion zusammen. Die Gliederung eines PTV3-Antrages für Langzeittherapie haben wir Dir unter Materialien verlinkt. Die genauen Anforderungen Therapiebeschreibung/-reflexion können von Institut zu Institut variieren. In der Regel bieten Institute eine Art Dokumentationsübersicht an. In dieser ist zusammengefasst, was Deine Therapiebeschreibung umfassen soll. Äußerst hilfreich sind zudem Beispiele für Prüfungsfälle von bereits approbierten Kollegen*innen Deines Instituts. Diese sind eine gute Orientierungshilfe für den Aufbau und Inhalt Deines Prüfungsfalls. Als hilfreiche Literatur kann ich den Praxisleitfaden Verhaltenstherapie: Störungsspezifische Strategien, Therapieindividualisierung, Patienteninformationen von Gall-Peters & Zarbock empfehlen. Dieser hilft Dir bei der Erstellung der Makroanalyse. Die von Dir verwendeten Therapiemanuale helfen Dir, Deine Therapiereflexion zu strukturieren und fachlich korrekte Formulierungen (z. B. für durchgeführte Interventionen) zu finden.
Hinweis

Ich habe den Praxisleitfaden bereits mehrfach empfohlen, da er mir wirklich geholfen hat. Ich habe das Buch selbst gekauft und für die Verlinkung und Empfehlung von Büchern erhalten wir keinerlei Gegenleistung.

Hast Du weitere hilfreiche Literatur? Lass es uns gerne wissen

Stolpersteine beim Schreiben des Prüfungsfalls

Folgende Punkte sind mir beim Schreiben meiner Prüfungsfälle schwergefallen. Ähnliche Schwierigkeiten habe ich aber auch bei anderen im Gespräch oder beim Korrigieren von Prüfungsfällen bemerkt.

Struktur

Im Dokumentationsleitfadens meines Instituts war zwar aufgelistet, was in meinem Prüfungsfall vorkommen sollte (wie in einer Art Anforderungskatalog). Jedoch ließ sich daraus nicht direkt eine gute Reihenfolge und Struktur für die Prüfungsfälle ableiten. Mir hat es sehr geholfen mir Beispiele von Prüfungsfällen aus meinem Institut anzuschauen. Eine Idee bekommst Du auch, wenn Du Dir unseren Beispiels-Prüfungsfall anschaust.

Inhalt

Psychischer Befund

Vermeide lange Sätze und benenne die Befunde kurz und knapp. Zum Beispiel so:

Konzentrationsvermögen subjektiv leicht vermindert.
Hierbei können das PDF “Psychopathologische Befunderhebung” vom UKE und das Buch AMDP-System: Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde helfen. Wichtig ist, dass der psychopathologische Befund im Kontext Deines Falles Sinn ergibt. Das heißt, alle Symptome, die Du im Punkt spontan berichtete Symptomatik beschreibst (z. B. Ein- und Durchschlafstörungen) oder die in der Testdiagnostik auffällig waren (z. B. erhöhter BDI-II Wert), müssen sich im psychischen Befund wiederfinden.

Diagnosen

Hierbei geht es nicht nur darum, die vergebene Diagnose zu benennen, sondern kurz zu begründen, weshalb und welche Differentialdiagnosen Du überprüft hast. Solltest Du in der spontan berichteten Symptomatik, im psychopathologischen Befund oder in der Testdiagnostik Auffälligkeiten bemerken, solltest Du diese auch differentialdiagnostisch abklären. Hilfreich ist es, wenn Du zu Beginn ein strukturiertes, klinisches Interview (z. B. Mini-DIPS/SKID-I/SKID-II) durchgeführt hast. So ist sichergestellt, dass Du nichts übersehen hast.

VT: Funktionales Bedingungsmodell

Zu diesem Thema könnte man vermutlich einen eigenen Kurs herausgeben. Daher nenne ich nur die Punkte, auf die ich für ein möglichst präzises Modell geachtet habe:

Verhaltensanalyse
  1. wähle ein für den Patienten und dessen Diagnose typisches Problemverhalten aus (z. B. Vermeidungsverhalten bei Ängsten & Zwängen oder Rückzugsverhalten bei Depressionen)
  2. Beschränke Dich auf möglichst wenige, aber dafür essenzielle Gedanken (ca. drei). Außerdem sollten die Gedanken zum Gefühl leiten.
  3. Beschränke Dich auf ein Gefühl. Bei mehreren Gefühlen solltest Du über eine Kettenanalyse nachdenken.
  4. Konsequenzen:
  • Zuordnen zu:
    • kurzfristigen Konsequenzen: treten bis ca. 5 Min. nach dem Verhalten auf
    • langfristigen Konsequenzen: alle folgenden
  • Einschätzen als:
    • C+ (positive Verstärkung),
    • C- durchgestrichen (Wegfall einer negativen Konsequenz),
    • C+ durchgestrichen (Wegfall einer positiven Verstärkung),
    • C- (Bestrafung)
Makroanalyse Zu den prädisponierenden, auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen habe ich mir das Unterkapitel “Störungsmodell” für meine Hauptdiagnose aus Gall-Peters & Zarbock Buch durchgelesen. Wenn etwas zu meinem Prüfungsfall gepasst hat, habe ich es mir unterstrichen und mit den biografischen Informationen meiner Patientin zusammengebracht und rausgeschrieben.

Tipps

Zu guter Letzt noch ein paar allgemeine Tipps für das Schreiben.

  • Lies Dir Deine Prüfungsfälle zweimal laut vor. So merkst Du, welche Formulierungen “noch nicht ganz rund klingen”.
  • Bitte zwei Kommilitonen*innen Deinen Fall zu lesen. Bei einigen Unstimmigkeiten sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Hier hilft es, wenn nochmal ein paar frische Augen drüberschauen.
  • Bitte danach Deinen Supervisor Deine Fälle zu lesen. Ich habe meine Fälle danach sogar noch von einem weiteren Supervisor Korrektur lesen lassen.
  • Stehst Du noch am Anfang Deiner Ausbildung? Dann spar Dir für die Prüfungsfälle und Prüfungsvorbereitung noch ca. 10–15 Supervisionsstunden auf (sofern Dein Institut das zulässt).

Abschluss

Das Perfektionieren meiner Prüfungsfälle hat mich die meisten Nerven gekostet. Das Vorgehen aus diesem Video hat mir aber schlussendlich dabei geholfen zwei Prüfungsfälle zu schreiben, mit denen ich in den mündlichen Prüfungen sehr gut abgeschnitten habe. Wenn Du das Schreiben Deiner Prüfungsfälle hinter Dich gebracht hast, hast Du einen weiteren wichtigen Meilenstein geschafft 💪!

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